Mit der Energiewende verändert sich auch die Struktur der Energienetze – weg von zentralen Heizkraftwerken hin zu dezentralen Energieerzeugern. Doch wo viele kleine Erzeuger und Speicher entstehen, muss ständig Energie gewandelt werden. Um zum Beispiel den erzeugten Gleichstrom aus Solaranlagen in Wechselstrom umzuwandeln, werden Schalter benötigt, die Strom auf Knopfdruck umspannen und hocheffizient fließen lassen, ohne dass es zu größeren Verlusten durch Erwärmung kommt. Gleiches gilt für die Elektromobilität: Um Batteriereichweiten von bis zu 1.000 Kilometern zu erzielen, muss Strom ohne nennenswerte Wärmeverluste im Motor ankommen. „Für beide Bereiche bedarf es einer neuen Generation von Leistungselektronik und das Zauberwort dafür ist Galliumoxid“, sagt Prof. Thomas Schröder, Direktor des Leibniz-Instituts für Kristallzüchtung in Berlin-Adlershof. Mit Galliumoxid ist es möglich mit deutlich höheren Leistungen effizienter als bisher zu arbeiten, ohne dass sich die Schalterbauteile dabei so stark erhitzen, dass sie schmelzen.
Seit mehr als 15 Jahren wird am IKZ das Halbleitermaterial Ga2O3 gezüchtet und untersucht. Es stellt die derzeitigen „Stars“ der Halbleitertechnologie – Float-Zone-Silizium (Si), Siliziumcarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) – bezüglich der Effizienz bei Anwendungen in der Leistungselektronik weit in den Schatten. Inzwischen gelingt es den Forschenden, Einkristalle mit einem Durchmesser von 2 Inch (~5 Zentimeter) aus der Schmelze zu ziehen. Das IKZ ist derzeit das einzige Institut in der EU, an dem Galliumoxid-Einkristalle hergestellt werden können. „Unsere Kompetenz liegt ganz klar im Anlagenbau, der Kristallzüchtung und -analyse. Was wir aber noch entwickeln müssen ist, effektiv aus den Einkristallen großflächige Substrate mit hoher Präzision zu schneiden, die benötigt werden, um das Material für die Leistungselektronik umfassend zu erforschen und zu optimieren“, betont Dr. Thomas Straubinger der als Leiter der IKZ-Sektion Kristalle für Elektronik verantwortlich für die Fertigung von Galliumoxid-Prototypsubstraten ist.
An dieser Stelle kommt nun das mittelständische Unternehmen CrysTec mit Sitz im Innovations-Park Wuhlheide ins Spiel. Es ist mit dem IKZ bereits seit vielen Jahren über Forschungsprojekte und Substratpräparationen aus deren Spezialkristallen für den weltweiten Forschungsmarkt der Oxidelektronik verbunden. Erste gemeinsame Schritte beim Ga2O3 ging man vor etwa 10 Jahren. Nunmehr werden beide Partner die Prozesse erforschen und entwickeln, um die Ga2O3-Kristalle vom IKZ zu Wafern bis zu einem Durchmesser von 2 Inch präzise zu verarbeiten. Das weltweite Vertriebsnetz der Firma CrysTec wird dabei helfen, das Material an Universitäten, Forschungsinstitute und die Industrie weiter zu verkaufen. „Durch die Zusammenarbeit mit dem IKZ ist es CrysTec möglich, weltweit führende Produkte für Forschung und Innovation anzubieten. Dieses Portfolio um Ga2O3 zu erweitern ist ein weiterer wichtiger Schritt, der uns Vorteile im Markt verschafft“, sagt Knut Peters, Geschäftsführer von CrysTec. Aktuell arbeiten IKZ und CrysTec im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) finanzierten Förderprojekt „GO-Wafer: Entwicklung einer Technologie zur Herstellung von standardisierten Galliumoxid-Wafern mit definierter Verkippung von der [100]- und [001] Richtung“ (KK5276901AG1) gemeinsam an der Entwicklung effizienter Züchtungs-, Bearbeitungs- und Epitaxietechnologien und der Identifizierung marktfähiger Substrat-Prototyp-Spezifikationen.
Die Kooperation ist ganz im Sinne des Auftrags des IKZ, neue Materialien nicht nur herzustellen und zu charakterisieren, sondern sie auch einer breiten akademisch-universitären und industriellen Community zur Verfügung zu stellen. Durch die Kooperation sei das Institut nun erstmals in der Lage Galliumoxid nach außen anzubieten, betont Thomas Schröder. „Wir möchten, dass möglichst viele Gruppen weltweit daran arbeiten und mit ihrer Expertise dazu beitragen den Wissensstand zu Galliumoxid voranzubringen.“
Durch den Wechsel zu Siliziumcarbid konnte die Reichweite von Elektroautos bereits wesentlich erhöht werden. Wenn sich die vielversprechenden Forschungsergebnisse des IKZ und Partner bestätigen, könnte Galliumoxid den nächsten Reichweitensprung ermöglichen. Noch ist der Halbleiter nicht auf dem Markt erhältlich. „Doch große Hersteller und Nutzer von Leistungselektronik kommen bereits auf uns zu“, sagt Thomas Schröder. „Sie wollen nicht kalt erwischt werden, sondern sich frühzeitig potentielle Innovationen sichern.“
Weiterführende Informationen:
https://www.ikz-berlin.de/angebot/galliumoxid
http://www.crystec.de
Ansprechpersonen:
CrysTec GmbH:
Knut Peters
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