Forschern des Leibniz-Instituts für Kristallzüchtung (IKZ) ist es gelungen, Germaniumkristalle von äußerst hoher Reinheit herzustellen. Diese sollen dazu beitragen eines der größten Rätsel der Menschheit zu lösen – den Ursprung des Universums.
Forschern des Leibniz-Instituts für Kristallzüchtung (IKZ) ist es gelungen, Germaniumkristalle von äußerst hoher Reinheit herzustellen. Die Fragen zur Erforschung des Ungleichgewichts zwischen Materie und Antimaterie im Universum und dessen Existenz könnten nun beantwortet werden. Dann nämlich wenn der sehr seltene Prozess des „neutrinolosen Doppel-Beta-Zerfalls (0νββ)“ von den Astrophysikern im Rahmen ihrer Experimente mit isotopisch reinem Germanium-76 (76Ge) positiv nachgewiesen werden kann.
In einem Kern mit einer bestimmten Massen- und Atomzahl werden bei einem 0νββ-Zerfall zwei Neutronen gleichzeitig in zwei Protonen umgewandelt, wobei zwei Elektronen, aber keine Neutrinos (ein weiteres Elementarteilchen ohne Ladung) emittiert werden. Diese beiden Elektronen tragen die verfügbare Zerfallsenergie, und das daraus resultierende monoenergetische Signal ist die wichtigste experimentelle Signatur.
Halbwertszeit von über 1000 Jahren
Allerdings ist die Halbwertszeit dieses Zerfallsprozesses extrem lang (T1/2 >1026 Jahre) und beläuft sich auf mehr als das Milliardenmillionenfache des Alters des Universums. Die Wahrscheinlichkeit, diesen Zerfall nachzuweisen, und die Sensitivität des Nachweises sind höher, wenn mehr Ge-Atome an dem Prozess beteiligt sind bzw., wenn ein ultrahochreines Material verwendet wird. Ge dient hier sowohl als Detektormaterial als auch als Quelle für den Zerfallsprozess.
Die derzeitige Generation des multinationalen Legend-Experiments (Large Enriched Germanium Experiment for Neutrinoless Double beta decay) am Gran Sasso National Laboratory (Italien), an dem mehr als 50 Länder mitwirken, plant den Einsatz mehrerer Detektoren aus hochreinen 76Ge-Kristallen mit einer Gesamtmasse von 200 kg, die sowohl einen extrem niedrigen Hintergrund als auch die höchste Energieauflösung auf dem neuesten Stand der Technik bieten.
Hochreine Germaniumkristalle züchten – eine Herausforderung
Um diese hochreinen Ge (HPGe)-Einkristalle zu züchten, wird die Czochralski (Cz)-Methode eingesetzt. Dabie können der gewünschte Durchmesser und die Länge frei gewählt werden und es besteht die Möglichkeit, strukturelle Defekte zu erzeugen. Die Herstellung von ultrahochreinen Ge-Einkristallen in „Detektorqualität“ mit maßgeschneiderten Strukturdefekten stellt jedoch eine große Herausforderung dar. Der Anteil an Verunreinigungen im Kristall muss auf ein ppt-Niveau (1 Billionstel) sinken, was einer Nettoladungsträgerkonzentration (Elektron oder Loch) n oder p < 1010 cm-3 entspricht. Das IKZ Berlin, ein aktives Mitglied dieses multinationalen Konsortiums, ist im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts „egend“ dabei, eine Technologie zu entwickeln, mit der eine solch extrem hohe Reinheit in Ge erreicht werden kann.
Ein Boot aus Quarzglas
In der Regel treten in HPGe-Kristallen flache Akzeptor-/Donor-Verunreinigungen auf, v. a. Bor (B), Aluminium (Al) und Phosphor (P). Verunreinigungen dieser Art müssen effektiv entfernt werden, was mittels Mehrfach-Zonen-Reinigung (ZR) geschieht. Die Reinheit, die bei diesem ZR-Verfahren erreicht wird, ist eine Funktion des Segregationskoeffizienten der jeweiligen Verunreinigung in Ge und der Anzahl der Reinigungszyklen. Das Behältermaterial, das sich am besten eignet, ist das Boot aus Quarzglas, da es auch in sehr hoher Reinheit erhältlich ist. Die Benetzung der Ge-Schmelze auf dem Quarzglas führt jedoch dazu, dass das Boot beim Erstarren des Ge zu Bruch geht, was eine große technologische Hürde darstellt.
Um also die Benetzung zu vermeiden und auch die Diffusion von Verunreinigungen vom Quarzglasboot zum Ge zu verhindern, wurde am IKZ eine neue Prozesstechnologie zur Beschichtung der Boote mit porösem Quarzrauch entwickelt. Es stellte sich heraus, dass dies tatsächlich auch zu einer effektiven Abscheidung von Al-Verunreinigungen beiträgt. Um den gewünschten Reinheitsgrad zu erreichen, erfolgen sämtliche Schritte der Materialbearbeitung in einer Reinraumumgebung und einer H2-Gasatmosphäre unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Nach einigen 10er-Zyklen konnten wir eine sehr niedrige Verunreinigungskonzentration in Ge nachweisen, die übereinstimmend in der Größenordnung von 1010 pro cm3 lag, wie die Messungen des Niedertemperatur-Hall-Effekts zeigten.
Anschließend wurden diese hochreinen Ge-Barren als Ausgangsmaterial für die Züchtung von Einkristallen nach der Cz-Methode verwendet. Zudem wurde die Cz-Anlage vor kurzem mit den geeigneten Heißzonenmaterialien verbessert, um den Anforderungen an höchste Reinheit gerecht zu werden und der Züchtungsprozess wurde deutlich optimiert. Die gezüchteten Kristalle zeigten eine Nettoladungsträgerkonzentration in der Größenordnung von 109 – 1010 cm-3 mit einer relativ hohen Mobilität bei einer erforderlichen Defektdichte von ~ 103 pro cm2.
Die Reinheitsmesslatte noch höher legen
Zum ersten Mal ist es einem kleinen, aber dynamischen Team am IKZ gelungen, HPGe-Einkristalle von solch ultrahoher Reinheit unterhalb des „ppt-Niveaus“ nachzuweisen. Diese Resultate motivieren die Forscher weiter, die Reinheitsmesslatte noch höher zu legen und einen Maßstab für die Produktion und Lieferung von Kristallen in Detektorqualität zu setzen. Die weitere Verbesserung des Prozesses und die Aufstockung der Produktionskapazitäten versetzen das IKZ in eine gute Ausgangsposition, um die Anforderungen des künftigen Legend-1000-Experiments im Tonnenmaßstab zu erfüllen. (xx)
Erschienen: Laborpraxis