Interview | 25.11.2021

Interview mit Prof. Dr. Thomas Schröder und Dr. Aschkan Allahgholi, Leibniz Institut für Kristallzüchtung IKZ, Berlin

"Technologische Souveränität? Da werden wir etwas tun." Prof. Dr. Thomas Schröder über das Leibniz-Strategieforum "Technologische Souveränität"

Prof. Dr. Thomas Schröder, Direktor IKZ ©Tina Merkau

Professor Thomas Schröder ist Direktor des Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ). In der Leibniz-Gemeinschaft hat er gerade die Sprecherrolle im Leibniz-Strategieforum „Technologische Souveränität“ übernommen. In diesem Forum wollen Leibniz-Institute Ideen und Konzepte erarbeiten, um mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft, und Politik eben zur Sicherung dieser Souveränität beizutragen. Im Interview sprechen er und Dr. Aschkan Allahgholi über das Projekt und speziell über das Feld der Quantentechnologien.

Herrr Prof. Schröder: Vor drei Jahren sind Sie von Frankfurt/Oder nach Berlin gewechselt. Wie haben Sie sich eingelebt? Wie finden Sie Berlin?

Schröder: Also privat ist Berlin sehr spannend, mit vielen Möglichkeiten. Und auch für mich als Wissenschaftler ist Berlin eine unglaublich vibrierende Stadt. Adlershof ist mittlerweile einer der größten Technologie- und Science Hubs in Deutschland: Das ist natürlich ein Schlaraffenland, um gemeinsam mit exzellenten Kolleginnen und Kollegen die Forschung voranzubringen.

Am Institut für Kristallzüchtung gab es vor meiner Berufung ein lange Interimsphase. Da waren viele Sachen neu aufzustellen. Ich denke aber, das haben wir jetzt geschafft. Jetzt müssen wir die Ideen dort mit Leben erfüllen. Daneben habe ich noch die Professur an der Humboldt-Uni, Ausbildung und Forschung halten mich da auf Trab. Also, Berlin macht Spaß!

Neben der Professur und der Leitung des IKZ haben Sie ja inzwischen noch eine Reihe anderer Funktionen. In der Leibniz-Gemeinschaft engagieren Sie sich im Strategieforum „Technologische Souveränität“. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff

Schröder: Technologische Souveränität ist ja ein Thema, das uns schon lange umtreibt in der Gesellschaft und in den Medien. Es ist auch eine Thematik, die uns speziell in der Hochtechnologie beschäftigt. Am Ende geht es um die Frage, wie wir weiter an der wissenschaftlichen und technologischen Spitze bleiben können, wie wir Technologien in Europa eigenständig und souverän entwickeln können.

In der Pandemie konnte man das wie unter einem Brennglas sehen, da spielte die technologische Souveränität, zum Beispiel bei der Impfstoffentwicklung, eine große Rolle. Das war sicher auch ein Grund für die Bundesregierung, eine Initiative zur technologischen Souveränität zu starten.

Was ist die Rolle der Leibniz-Gemeinschaft dabei?

Schröder: In der Leibniz-Gemeinschaft haben wir gesehen, dass wir da auch aktiv werden müssen, dass wir da etwas tun können. Als Plattform dafür wurde das Leibniz-Strategieforum „Technologische Souveränität“ gestartet. Wir wollen damit die Leibniz-Perspektive in die Diskussion einbringen, die Leibniz-Beiträge zur technologischen Souveränität sichtbar machen und schließlich Handlungsempfehlungen an die Politik ableiten.

Was ist die Leibniz-Perspektive dabei?

Schröder: Die Leibniz-Gemeinschaft hat das Leitbild „Theoria cum praxi“, wir arbeiten da von der Grundlagen- über die angewandte Forschung bis hin zu Prototypen und Kleinserien. Das ist ein ganz wichtiger Bereich des Innovationsgeschehens, den wir da abbilden. Und der muss angebunden werden an die Wirtschaft und die Gesellschaft, an die Themen, wo technologische Souveränität wichtig ist.

Welche Themen das sind, das hat uns ja das BMBF [Bundesministerium für Bildung und Forschung] mit dem Impulspapier “Technologisch souverän die Zukunft gestalten“ ins Stammbuch geschrieben.

Wir versuchen, diese Schlüsseltechnologien mit verschiedenen Beiträgen von Leibniz-Instituten abzubilden. Das kann Impfstoff Forschung sein, da ist das Institut für Photonische Hochtechnologien in Jena sehr stark. Das können zukünftige Kommunikationstechnologien sein. Da ist zum Beispiel mein früheres Institut, das Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik IHP in Frankfurt/Oder führend. Und es können aber auch Quantentechnologie-Themen sein. Daran arbeitet das Ferdinand Braun-Institut hier in Berlin. Herr Allahgholi und ich haben gerade sehr viel zu tun, die Player zusammenzubringen.

Stichwort Quantentechnologien. Was genau ist Ihr Programm, was wollen Sie da tun?

Schröder: Quantentechnologien ist eine dieser Schlüsseltechnologien, die vom BMBF als bedeutsam ausgewählt wurden. Bedeutsam sind Themen, wo es nicht nur um eine Technologie geht, sondern um disruptive Veränderungen in verschiedensten Lebensbereichen. Und dass diese Technologie eben Anwendungen und neue Geschäftsfelder ermöglichen wird.

Mit Quantencomputing, Quantenkommunikation, Quantensimulation und Quantensensoren haben wir ein sehr komplexes Innovationsgeschehen. Da sind wir jetzt dabei, uns in der Leibniz-Gemeinschaft noch mal zu orientieren. Welches Institut macht was in welchem Bereich? Wichtig ist natürlich auch: wo soll der Handshake zur Wirtschaft erfolgen, die dann auch Produktionsthemen angehen wird.

Welche Aktivitäten stehen in Berlin dafür an?

Schröder: Am IKZ sind wir in den Bereichen Quantenkommunikation und Quantencomputing unterwegs. Wir bereiten dort sogenannte Spin-basierte Qbits vor, wo wir korrelierte verschränkte Spin-Zustände erzeugen, die dann die Basis für das Quantencomputing bilden. Das IKZ ist ja ein Forschungsinstitut mit Schwerpunkt in Materialwissenschaften, wir entwickeln dafür hoch-präzise Materialien, sogenannte isotopenreine Halbleiter. Und dann gibt es in der Leibniz-Gemeinschaft zum Beispiel das IHP in Frankfurt Oder, das damit Bauteile entwickelt. Das ist schon ein Teil der Wertschöpfungskette, aber noch keine Vermarktung. Dafür brauchen wir Industriepartner. Dafür sind wir schon in BMBF Projekte eingebunden, zum Beispiel mit Infineon, aber auch mit den Instituten der Helmholtz-Gemeinschaft in Jülich.

Andere Institute in der Leibniz-Gemeinschaft wie das Ferdinand Braun Institut in Adlershof, sind extrem stark im Bereich der Quantenoptik, ein wesentlicher Schwerpunkt in Berlin. Das FBH hat die Möglichkeiten, um für die Quantenoptik Bauteil-Technologien zu entwickeln. Das passiert in sehr engem Schulterschluss mit der Humboldt-Universität, auch in der Berlin University Alliance.

Stichwort Berlin Quantum Alliance. Mit welchen Partnern arbeiten sie zusammen? Sie hatten schon das FBH genannt, Sie haben die Humboldt-Uni genannt. Mit wem arbeiten Sie direkt auch an dem Strategieforum noch zusammen?

Schröder: Das größte Potential in Berlin hat meines Erachtens die Quantenoptik. Da haben wir ein Netzwerk um Professor Arno Rauschenbeutel und da ich auch Professor an der Humboldt-Uni bin, sind wir da im Austausch miteinander. Ein Institut, das da als Technologie-Plattform dient, ist dann das FBH, aber auch das Fraunhofer Heinrich Hertz-Institut ist dort sehr stark unterwegs.

Am IKZ sind wir mehr in der Quantenkommunikation aktiv. Berlin hat dafür relativ wenig Anknüpfungsmöglichkeiten, weil hier die Industrie fehlt. Da arbeiten wir mit Brandenburg zusammen mit dem IHP und mit der Industrie, die das Potenzial hat, dass auf ein marktreifes Technologie-Niveau zu heben. Wir haben da Halbleiter-Hersteller wie ST Microelectronics in Frankreich, und Infineon in Deutschland im Auge.

Das Strategieforum ist für zwei Jahre geplant. Wo wollen Sie in zwei Jahren stehen? Was wollen Sie danach auf dem Tisch haben?

Schröder: Wir sind jetzt dabei, uns in Clustern aufzustellen. Wir machen ein Kickoff-Meeting im Dezember, „Leibniz meets Industry“ nennen wir das. Wir treffen uns dort mit Partnern aus der Industrie, um zu diskutieren: Was können wir beitragen? Und wie erfolgt dann auch der Handshake zur Industrie für die weitere Vermarktung? Das besprechen wir für ganz verschiedene Themen. Das kann Impfstoff Forschung sein, zukünftige Kommunikations­technologie oder auch innovative Materialforschung. Wir haben da sechs, sieben Themengebiete, die wir vorbereiten und ausarbeiten.

Im Februar/März nächsten Jahres werden wir uns mit den politischen Entscheidungsträgern zusammensetzen. Auf der Basis der erarbeiteten Positionspapiere mit den Handlungsempfehlungen, wollen wir besprechen, wo wir Unterstützung aus der Politik brauchen. Um die Rahmenbedingungen zu schaffen, um einen Teil der Wertschöpfungskette solide abzubilden, so dass die Leibniz-Gemeinschaft mit ihren Fertigkeiten helfen kann, technologische Souveränität abzubilden. Es ist natürlich klar: Ein Institut allein macht für die technologische Souveränität keinen Sinn. Es bedarf immer der Wertschöpfungskette und das hat für mich ganz viel mit Vernetzung zu tun.

Wenn Sie mich fragen, wo ich gerne sein will in zwei Jahren, es wäre genau dann ein Erfolg für das Strategieforum, wenn es uns gelingt, Fördergelder mit einzuwerben für die Leibniz-Institute. Und dass wir sagen können, wie wir in der Leibniz-Gemeinschaft den Bereich der Quantentechnologie vom Material bis zu Bauteilen, und zumindest mal bis zu einem Industrie-Benchmarking, abbilden können. Unser Ansatz ist da marktwirtschaftlich, kompetitiv, international.

Herr Allahgholi, Sie stehen für dieses Strategieforum in Berlin. Was ist Ihre Rolle und wie würden Sie Ihr Angebot für die Berliner Quanten-Community zusammenfassen?

Allahgholi:Ich bin der wissenschaftliche Referent des Strategieforums „Technologische Souveränität“, das erstreckt sich im Grunde über die Leibniz-Gemeinschaft. Meine Rolle ist dabei gerade Vernetzung, viele Institute dieser Gemeinschaft zusammenzubringen. Die sind in Cluster aufgeteilt nach den Leitlinien des Impulspapier „Technologisch souverän die Zukunft gestalten“.

Einer dieser Cluster sind die Quantentechnologien, die sie gerade angesprochen haben. Da engagieren sich schon diverse Institute. Wir haben das IKZ auf der einen Seite, das Ferdinand Braun Institut in Berlin, das IHP in Frankfurt oder auf der anderen Seite aber eben auch noch andere. Innerhalb dieses Cluster haben wir am IKZ die Sprechrolle übernommen.

Wenn ich jetzt mal von oben darüber schaue, was hat die Leibniz-Gemeinschaft im Bereich Quantentechnologien zu bieten? Ich denke, dass wir mit der Verknüpfung all dieser Institute in der Lage sind, die Wertschöpfungskette abzubilden von physikalischer Grundlagenforschung bis hin zu Bauelemententwicklung und auch der Systemintegration.

Ein großer Vorteil der Leibniz-Gemeinschaft ist die Interdisziplinarität, die Diversität von Instituten. Da sind nicht nur Technologie Institute, sondern wir haben eben auch viele sozialwissenschaftliche und wirtschaftswissenschaftliche Institute. Wir können dadurch das Ganze auch aus einer gesellschaftsrelevanten Perspektive betrachten, was auch eine zentrale Fragestellung des BMBF ist. Denn bei all den technologischen Innovationen darf der gesellschaftliche Nutzen nicht vergessen werden. Und da kann die Leibniz-Gemeinschaft gut punkten.

Herr Schröder, wollen Sie Ihre Projekte innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft machen? Oder laden Sie externe Partner aus dem Berliner Umfeld ein, sich daran zu beteiligen?

Schröder: Wenn die Findungsphase abgeschlossen ist, so im Januar / Februar nächsten Jahres, dann wollen wir das ganz offensiv anbieten. Aber es passiert natürlich auch so schon. Die Institute, die wir genannt haben, sind ja alle bestens vernetzt in der Berliner Landschaft. Da sind immer die außeruniversitären Partner von der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft oder den Max-Planck-Instituten sowie die Resortforschung des Bundes wie die Bundesanstalt für Materialforschung mit an Bord. Und wir wollen in diesem Cluster Quantentechnologie die Beiträge der Leibniz-Gemeinschaft nicht nur in Berlin, sondern auch national bündeln und dann diesen Kern den Berliner Partnern zur Verfügung stellen.

 

Das Interview wurde geführt von Herrn Dr. Andreas Thoß im November 2021.

 

Zu den Personen

Prof. Dr. Thomas Schröder ist seit 2018 Direktor des Leibniz-Instituts für Kristallzüchtung (IKZ) und Professor im Fachgebiet Kristallwachstum an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor leitete Thomas Schröder die Abteilung Materialforschung am IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Frankfurt (Oder) und hatte die Professur für Halbleitermaterialien an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg inne.

Dr. Aschkan Allahgholi hat an der Universität Bremen in Physik promiviert und war anschließend mehrere Jahre als Projektmanager in der Wissenschaft und Wirtschaft tätig. Seit September 2021 ist er Wissenschaftsreferent am IKZ für das Leibniz-Strategieforum "Tech Souveränität".

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