Die Sektion Fundamentale Beschreibung hat zum Ziel, durch numerische Simulationen einen tieferen Einblick in Kristallwachstumsprozesse zu erhalten. Thematisch reichen die Arbeiten von grundlegenden Arbeiten auf der der atomaren Skala bis hin zu angewandten, industrierelevanten Fragestellungen. Die Sektion arbeitet sowohl für institutsinterne als auch für externe Partner. Das physikalische Verständnis des Kristallwachstums wird durch Modellexperimente im Labormaßstab im Rahmen eines „ERC-starting grants“ für junge Forscher gestützt.
Die Forschungsaktivitäten umfassen: Entwicklung und Optimierung der Kristallwachstumsprozesse und Ofenprototypentwürfe auf den verschiedenen Skalen mit multiphysikalischer Kopplung. Die Validierung numerischer Modelle wird durch Modellexperimente bei niedrigen Temperaturen unterstützt. Auf atomarer Ebene tragen die Simulation von Kristalldefekten und der Wachstumskinetik zum Verständnis der kritischen Aspekte des Kristallwachstums bei. In der letzten Zeit kommen zunehmend Methoden der KI zur Anwendung.
Kristalline Materialien werden unter der Beteiligung einer Vielzahl von physikalischen Phänomenen wie Wärmetransport und Fluiddynamik in komplexen Prozessen bei hohen Temperaturen hergestellt. Gefördert durch den Starting Grant des Europäischen Forschungsrats arbeiten wir, im Rahmen des NEMOCRYS Projektes, an einer neuen Generation von multiphysikalischen Modellen für derartige Prozesse. Der dadurch erwartete Paradigmenwechsel bei der Art und Weise wie Kristallzüchtungsprozesse beobachtet, beschrieben und entwickelt werden, führt zu einer Minimierung der erforderlichen Anzahl von Experimenten. Darüber hinaus eröffnen sich neue Horizonte in der wissenschaftlichen Analyse als auch beim Einsatz smarter Prozesskontrollen mit Verwendung künstlicher Intelligenz oder anderer moderner Technologien.
Wir entwickeln eine Reihe von einzigartigen Kristallzüchtungsanlagen für Modellmaterialien, um vergleichsweise niedrige Temperaturen, vereinfachte Vakuumbedingungen und folglich einen problemlosen messtechnischen Zugang zum Prozess zu ermöglichen. Die dadurch erhaltenen in-situ Messdaten dienen der Entwicklung und Validierung multiphysikalischer Modelle, die anschließend für verschiedene Züchtungsprozesse sowohl im Forschungs- als auch Industriemaßstab angewandt werden. Darüber hinaus dienen Modellexperimente der Optimierung von Messtechniken für in-situ Beobachtungen und zur Erschaffung einer neuen Grundlage für das Benchmarking von Modellen sowie für Big Data Konzepte in der Kristallzüchtung.
Kaspars Dadzis, Olf Pätzold, Gunter Gerbeth
Model experiments for flow phenomena in crystal growth
Crystal Research & Technology, 55(2) (2019) 1900096
DOI: 10.1002/crat.201900096
Kaspars Dadzis, Paul Bönisch, Lamine Sylla, Thomas Richter
Validation, verification, and benchmarking of crystal growth simulations
Journal of Crystal Growth, 474 (2017) 171-177
DOI: 10.1016/j.jcrysgro.2016.12.091
Kaspars Dadzis, Gleb Lukin, Dagmar Meier, Paul Bönisch, Lamine Sylla, Olf Pätzold
Directional melting and solidification of gallium in a traveling magnetic field as a model experiment for silicon processes
Journal of Crystal Growth, 445 (2016) 90-100
DOI: 10.1016/j.jcrysgro.2016.03.037
Künstliche Intelligenz (KI) basierend auf künstlichen neuronalen Netzen (KNN) kann die Kosten erheblich senken und die Zeit für die Entwicklung neuartiger kristalliner Materialien und Kristallwachstumsprozesse verkürzen. Der Hauptgrund für die Verwendung von KNNs besteht darin, schnell Muster und Beziehungen in Kristallwachstumsdatensätzen zu extrahieren, die zu komplex sind, um von anderen numerischen Techniken bemerkt zu werden. Die schnelle Vorhersage ist entscheidend für die Prozesssteuerung, bei der In-situ-Messungen von Prozessparametern nicht möglich sind.
Das IKZ verwendete statische KNNs zur Parameteroptimierung bei magnetisch angetriebener VGF-GaAs sowie DS-Si Kristallzüchtung. Ein kürzliches Forschungsthema war die Anwendung dynamischer neuronaler Netze zur Echtzeitvorhersage im transienten VGF-GaAs-Kristallzüchtungsprozess. Beispielsweise können Temperaturfelder im Ofen sowie die Position der Kristallisationsfront während des Wachstums schnell vorhergesagt werden. Die KI-Anwendung für andere Kristallzüchtungsthemen ist derzeit in Bearbeitung.
Natasha Dropka, Martin Holena
Application of Artificial Neural Networks in Crystal Growth of Electronic and Opto-Electronic Materials
Crystals 10 (2020) 00663
DOI: 10.3390/cryst10080663
Natasha Dropka, Martin Holena, Stefan Ecklebe, Christiane Frank-Rotsch, Jan Winkler
Fast forecasting of VGF crystal growth process by dynamic neural networks
Journal of Crystal Growth 521(2019) 9-14
DOI: 10.1016/j.jcrysgro.2019.05.022
Natasha Dropka, Martin Holena
Optimization of magnetically driven directional solidification of silicon using artificial neural networks and Gaussian process models
Journal of Crystal Growth 471 (2017) 53-61
DOI: 10.1016/j.jcrysgro.2017.05.007
Kristallwachstum ist ein kinetischer Prozess bei dem Atome in ein Kristallgitter eingebaut werden. Das betrifft das Wachstum von Volumenkristallen als auch von kristallinen Schichten. Das Verständnis der kinetischen Prozesse ist von großer Bedeutung für Struktur und Eigenschaften des Materials sowie für die Prozessführung bei der Herstellung. Numerische Berechnungen liefern in Zusammenhang mit Charakterisierungsverfahren wie z.B. Transmissions-Elektronenmikroskopie (TEM) oder atomic force microscopy (AFM) fundierte Erkenntnisse.
Wir entwickeln ein allgemeines kinetisches Monte Carlo (KMC) Programm unter Verwendung der Programmiersprache julia. Die Energiebarrieren für die verschiedenen kinetischen Prozesse können mit Hilfe von Potentialmodellen (Tersoff, ACE etc.) oder mit der Bond Counting Methode berechnet werden. Sie können auch direkt aus ab initio Berechnungen für bestimmte Konfigurationen entnommen werden.
Damit sind wir in der Lage, die kinetischen Prozesse für unterschiedliche Systeme mittels atomistischer Berechnungen zu untersuchen. Derzeit beschäftigen wir uns mit dem epitaktischen Wachstum von AlN und AlGaN auf AlN(0001), die Homoepitaxie von Ga2O3 sowie das Lösungswachstum von Herbertsmithit.
Wolfram Miller, Tobias Schulz, Liverios Lymperakis, Andrew Klump, Martin Albrecht
Kinetic Monte Carlo simulations for AlN and AlGaN epitaxial growth on AlN
J.Crystal Growth 607 (2023), 127125
DOI: 10.1016/j.jcrysgro.2023.127125
Wolfram Miller, Dennis Meiling, Robert Schewski, Andreas Popp, Saud Bin Anooz, Martin Albrecht
A KMC model for homoepitaxial growth of Ga2O3
Phys. Rev. Research 2 (2020) 033170
DOI: 10.1103/PhysRevResearch.2.033170
Oleg Weinstein, Alexander Virozub, Wolfram Miller, Simon Brandon
Modeling anisotropic shape evolution during Czochralski growth of oxide single crystals
J. Crystal Growth 509 (2019)71-86
DOI: 10.1016/j.jcrysgro.2018.12.019
In der Forschungsgruppe Optimierung und Prozesskontrolle richten wir unser Augenmerk auf die grundlegende Modernisierung von Kristallzüchtungsverfahren durch die Integration von mathematischer Optimierung (MO) und den Einsatz hoch entwickelter Methoden der künstlichen Intelligenz (KI).
Es sollen Strategien zur Steuerung von Wachstumsprozessen entwickelt werden, die deren Effizienz und die Qualität der Kristalle deutlich verbessern.
Unser Hauptanliegen ist die Unterstützung der Anlagen- und Prozessplanung durch innovative Modellierungstechniken.
Das bedeutet konkret:
Unsere Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, den Sektor Materialwissenschaften durch die Entwicklung anspruchsvoller Kristallwachstumstechnologien voranzutreiben. Diese Arbeit unterstützt zahlreiche industrielle Anwendungen und trägt zu Weiterentwicklungen in den Bereichen Elektronik und erneuerbare Energien bei.
Wir laden akademische und industrielle Partner zur Zusammenarbeit ein, um die Grenzen der Materialwissenschaft durch fortschrittliche Forschung zu erweitern.
Moderne MO- und KI-Methoden
Im Rahmen unserer Forschung nutzen wir hochentwickelte MO- und KI-Methoden, um Kontrollsysteme zu entwickeln, welche die das Kristallwachstum beeinflussenden Parameter optimieren. Mithilfe dieser Methoden ist es uns möglich, das Verhalten des Kristallwachstums mit hoher Genauigkeit zu simulieren und vorherzusagen, was zu besseren Resultaten führt.
Simulation und Optimierung der Prozesssteuerung
Die Berücksichtigung von Theorien der optimalen Steuerung sowie der Einsatz von Simulationswerkzeugen zielen darauf ab, eine präzisere Steuerung der Wachstumsbedingungen zu ermöglichen. Ziel ist es, eine gleichbleibend hohe Kristallqualität zu gewährleisten.
Hybride Modellierung
Der Fokus liegt auf der Erstellung hybrider Modelle, die empirische und Simulationsdaten mit Erkenntnissen aus KI-gesteuerten Prozessen kombinieren. Die Entwicklung robuster Prognosewerkzeuge für Kristallwachstumsprozesse und die Generierung verbesserter Kontroll- und Optimierungsstrategien hängen weitgehend von diesen Modellen ab.
Rössig, A., Petkovic, M. Advances in verification of ReLU neural networks. J Glob Optim81, 109–152 (2021).
https://doi.org/10.1007/s10898-020-00949-1
Le, T.T, Petkovic, M. Predicting Fluid Interface Instability in Energy Systems for Sustainable Energy Transition, to appear in Lecture Notes in Operations Research Operations Research Proceedings, 2023