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News | 26.02.2021

Entwicklung eines neuen Quantenprozessors unter IKZ Beteiligung

Das BMBF fördert einen nationalen Verbund zur Entwicklung einer neuen “Shuttling“-basierten Architektur für Quantenprozessoren auf der Grundlage von Elektronen-Spin Quanten-Bit (Qubits).

Ansichten der Silizium-Germanium Spin-Qubit Struktur. Eine Silizium-Schicht wird durch zwei anliegende SiGe-Schichten elastisch verspannt (Querschnitt, links) und bildet einen „Quantentopf“, welcher mit zusätzlichen Elektronen beladen werden kann. Gatter-Elektroden (Mitte) sperren das Elektron zusätzlich lateral ein und ermöglichen eine laterale Manipulation dessen Spin-Zustands. Bildgebende Röntgenbeugung (rechts) erlaubt einen Einblick in die Gitterverformung in der einkristallinen Silizium-Schicht aufgrund der Einwirkung von Elektroden und Gitterdefekten.

Im Rahmen der Ausschreibung “Quantenprozessoren und Technologien für Quantencomputer” wurde ein Konsortium aus dem Forschungszentrum Jülich (FZJ), der Universitäten Aachen, Regensburg und Konstanz, Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, der Leibniz-Gemeinschaft sowie dem Startup HQS Quantum Simulations und dem Halbleiter-Hersteller Infineon gebildet. Unter der Leitung von Prof. Hendrik Bluhm (FZJ) haben die Partner das Verbundprojekt QUASAR - "Quantenprozessor mit shuttle-basierter, skalierbarer Architektur" erarbeitet, welches nun vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit über 7,5 Millionen Euro gefördert wird. Ziel des QUASAR-Projekts ist die praktische Umsetzung einer skalierbaren Architektur eines Quantenprozessors, die geometrische Einschränkungen vermeidet und es so ermöglicht, mehrere Qubits kohärent zu verbinden. Das IKZ wird dabei die Charakterisierung der Nanostruktur von Silizium-Germanium-Heterostrukturen in den Qubits übernehmen.

Im Gegensatz zu konventionellen Computern speichern Quantencomputer nicht nur die Werte 0 oder 1 in den einzelnen Bits. Stattdessen werden beide Werte gleichzeitig mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gespeichert. Diese Überlagerung binärer Zustände führt dazu, dass logische Operationen auf einer Variablen, definiert durch eine Serie von Qubits, für alle denkbaren Eingabewerte gleichzeitig ablaufen. Seit der theoretischen Beschreibung von Quantencomputern konnte über die Entwicklung entsprechend angepasster Algorithmen gezeigt werden, dass diese gewisse Probleme effizienter verarbeiten können als konventionelle Computer. Bekannte Anwendungsbeispiele finden sich in der Kryptographie, der Modellierung chemischer Stoffe, im maschinellen Lernen oder bei Suchalgorithmen.

Heutzutage existieren bereits verschiedene Konzepte für die Realisierung von Quantencomputern, unter anderem auf Grundlage supraleitender Schleifen, Ionenfallen, Quantenpunkten oder Kernspins. Es ist allerdings noch nicht ersichtlich, welche dieser Ansätze letztendlich zu praktisch nutzbaren Quantencomputern führen werden. Im Hinblick auf Skalierung der Anzahl verbundener Qubits innerhalb einer Architektur ist die Nutzung von in Quantenpunkten gefangenen Elektronen und deren Spinzustand ein vielversprechender Ansatz. Diese stehen im Fokus des QUASAR-Projekts und besitzen den Vorteil, dass sie potentiell auch bei Temperaturen von bis zu 1 K betrieben werden können und unter Nutzung etablierter Prozesse der Halbleiterindustrie gefertigt werden könnten. Eine industriekompatible Umsetzung muss jedoch erst noch demonstriert werden. Darauf aufbauend soll perspektivisch ein Quantencomputer mit 25 miteinander verbundenen Qubits entwickelt sowie ein allgemeiner „Cloud“-Zugang über die Daten-Infrastruktur des FZJ ermöglicht werden.

Die Silizium-Spin-Qubits basieren dabei auf einer 10 nm dicken Silizium-Schicht, die verspannt zwischen zwei benachbarten Schichten einer Silizium-Germanium (SiGe) Legierung gewachsen wird (siehe Abbildung). Das Wachstum solcher Heterostrukturen ist am IKZ bereits ein Thema innerhalb des Leibniz-Projekts „SiGeQuant“. Einzelne Elektronen können anschließend begrenzt durch diese Silizium-Schicht sowie einer speziellen Anordnung von Elektroden in einem sog. „Quantenpunkt“ eingefangen und manipuliert werden. Die Herstellung möglichst homogener Schichtstapel mit scharfen Grenzflächen bleibt dabei eine Herausforderung und ist Voraussetzung für eine geringe Fehlerrate sowie für einheitliche Eigenschaften der Qubits, die in der Architektur vernetzt sind.

Unser Ziel am IKZ im Rahmen des QUASAR-Projekts ist es, Kenntnisse über Materialdefekte, ihre Entstehung und ihren Einfluss auf die Qubit-Parameter zu erlangen. Dazu werden moderne Charakterisierungsmethoden aus den Bereichen der Elektronen- und Röntgenbeugungsmikroskopie zusammengeführt. Dieses Teilprojekt wird am IKZ von Carsten Richter (Nachwuchsgruppe Synchrotronstrahlungsmethoden) geleitet und in enger Zusammenarbeit mit Martin Albrecht (Gruppe Elektronenmikroskopie) und dem Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP) Frankfurt/Oder bearbeitet, welches die Materialoptimierung im Verbund koordiniert.

 

Weitere Informationen:

Carsten Richter
Sektion Experimentelle Charakterisierung