Interview | 02.02.2022

„Wir können Vorbild sein“

Im Interview sprechen Prof. Thomas Schröder, Direktor des Leibniz-Instituts für Kristallzüchtung, und Prof. Stefan Eisebitt, Direktor am Max-Born-Institut, über den FVB und ihre Pläne als neues Vorstandssprecher-Team.

Die DNA des FVB: exzellente Wissenschaft effizient verwaltet. | Abbildung/Illustration: Anne Riemann & Thomas Schröder, IKZ

Seit September 2021 ist Prof. Thomas Schröder Vorstandssprecher des Forschungsverbundes Berlin e.V. (FVB), Prof. Stefan Eisebitt ist Stellvertreter. Die Amtszeit beträgt zwei Jahre. Beide haben Direktorenposten inne – Thomas Schröder am Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ), Stefan Eisebitt am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI). Im Interview sprechen sie darüber, was den Forschungsverbund ausmacht und welche Pläne sie verfolgen.

Das Interview führte Anja Wirsing

Herr Schröder, Sie sind vor über drei Jahren Direktor des Leibniz-­Instituts für Kristallzüchtung geworden. Sie gehören seitdem auch zum Vorstand des For­schungsverbundes Berlin. Wie haben Sie den FVB zu Beginn gesehen, wie sehen Sie ihn heute?

T. Schröder: Bei meinem Start als Direktor am IKZ hatte ich den Vorteil, dass ich schon einige FVB-Institute durch meine wissenschaftliche Arbeit kannte. Von dieser Seite war mir der FVB also vertraut. Was mir in der Anfangszeit aber fehlte, war ein Verständnis für die Prozesse der Gemeinsamen Verwaltung. Wie ich den FVB heute sehe? „Standing Ovations“ dafür, dass wir in den letzten Jahren drei wichtige Digitalisierungsprojekte in unserer Verbundverwaltung umgesetzt haben: den elektronischen Einkauf, die elektronische Personalakte und das elektronische Rechnungsprogramm. Dies hat uns in der Pandemie gerettet. Wir können stolz sein, auf diesem Niveau unterwegs zu sein.

Herr Schröder und Herr Eisebitt, Sie sind das neue Vorstandssprecher­-Team des FVB. Was macht den FVB aus? Welchen Mehrwert hat er aus Ihrer Sicht?

T. Schröder: Ich möchte das Bild der DNA wählen, um den FVB zu beschreiben: Der eine Strang ist die effiziente Verwaltung, der andere die exzellente Wissenschaft. Beide DNA-Stränge werden dadurch zusammengehalten, dass sich Basen vom einen Strang mit den Basen vom anderen Strang miteinander verbinden. Dies entspricht für mich dem „Handshake“ in der administrativen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit der Institute. Zum Mehrwert des FVB: Unsere Verwaltung ist moderner als die von vielen anderen wissenschaftlichen Einrichtungen – denn gemeinsame Verwaltungsstrukturen helfen, Bedarfe zu bündeln und hierdurch Kosten zu sparen. Diese Idee ist aktueller und notwendiger denn je. Im Forschungsverbund gibt es selbstverständlich auch wissenschaftliche Synergien, insbesondere zwischen den Instituten, die sich thematisch nahestehen.

S. Eisebitt: Unsere Institute haben ein sehr eigenständiges wissenschaftliches Profil. Es gibt fachliche Berührungspunkte, wobei es die Zusammenarbeit zwischen den Instituten auch ohne den FVB geben würde. Der Verbund verbessert aber den Informationsfluss. Unsere Klammer ist die Gemeinsame Verwaltung. Bei diesem Punkt möchte ich noch weitergehen: Ich sehe den FVB als einen Think-Tank, denn er ist Pionier in der Frage, wie man Wissenschaft gut verwalten kann. Im FVB sind so viele Facetten und Blickwinkel vertreten – hierdurch besteht die Möglichkeit voranzugehen. Wir können Vorbild sein.

Der FVB ist eine der größten außeruniversitären For­schungseinrichtungen Berlins. Welche Kooperationensind aus Ihrer Sicht von besonderer Bedeutung?

T. Schröder: Sehr gute Fortschritte sind zuletzt mit BR50 erzielt worden, dem Netzwerk der außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Berlin, das sich im letzten Jahr gegründet hat. Das aktuelle BR50-Positionspapier zur Berlin-Wahl, das Rahmenbedingungen für eine exzellente Wissenschaft formuliert, ist hervorragend.

S. Eisebitt: BR50 ist eine sehr gute Initiative. Sie zeigt auch, wie der FVB als Think-Tank wirken kann – denn der Forschungsverbund hat die Gründung von BR50 mitinitiiert. Ein wichtiger Kooperationspartner für den FVB sind weiterhin die Universitäten in der Region. Wir sind durch gemeinsame Berufungen gut vernetzt. Wir sehen dadurch auch strukturelle Probleme, wie zum Beispiel das komplizierte Berufungsgeschäft. Wir haben in der Vergangenheit bereits Vorschläge für die Verbesserung gemeinsamer Berufungsverfahren in die Politik eingebracht.

T. Schröder: Ein weiteres Beispiel von meiner Seite ist das Leibniz-Strategieforum „Technologische Souveränität“, das mit vielen Facetten auf die Bundespolitik zugeht. Mehrere Leibniz-Institute bündeln dort ihre Expertise, um eine gemeinsame Strategie zur Weiterentwicklung wichtiger Technologiefelder in Deutschland zu entwerfen. Auf der Berlin Science Week 2021 hatten wir zuletzt eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema, für die wir mit anderen Einrichtungen im Themenbereich Materialwissenschaften am Standort Adlershof kooperiert haben, insbesondere mit der IGAFA, der Initiativgemeinschaft Außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in Adlershof.

Wo sehen Sie aktuell dringenden Handlungsbedarf?

T. Schröder: Wir möchten die Verbundverwaltung konsolidieren und weiterentwickeln. Durch die Umstrukturierungen infolge des Austritts des Ferdinand-Braun-Instituts Ende des letzten Jahres hat unsere Gemeinsame Verwaltung sehr gelitten. Personalfluktuation und Kompetenzverlust waren die Folge, die Arbeitsbelastung war und ist sehr hoch. Jetzt schauen wir aber in die Zukunft. Besonders wichtig ist es, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung wieder sagen können „Hey, es ist toll, im FVB zu arbeiten“. Wir haben auch neues junges Personal, das sich in der aktuellen Dynamik positionieren und entwickeln kann. Die Herausforderung, in der wir uns befinden, schafft auch Chancen. Wir müssen genau hinhören, im engen Austausch sein und die Bereichsleitungen unterstützen, ihre angedachten Strukturen umzusetzen. Unsere neue Geschäftsführerin Dr. Nicole Münnich wird sich hier stark engagieren. Ich möchte festhalten: Unsere Verwaltung funktioniert auf allen Ebenen. Das wird sehr geschätzt. Diese Wertschätzung müssen wir – die Instituts- und Abteilungsleitungen sowie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – aber auch zeigen.

S. Eisebitt: Ergänzen möchte ich, dass der Forschungsverbund im administrativen Bereich Vorreiter ist. Unsere Digitalisierungsprojekte, über die wir bereits gesprochen haben, sind ein gutes Beispiel. Das ist interessant und attraktiv – für alle, die keinen 08/15-Job haben wollen sowie für junges und ambitioniertes Personal. Weiterhin müssen wir daran arbeiten, den Austausch zwischen Wissenschaft und Verwaltung zu fördern. Dies ginge zum Beispiel mit einem Format wie „Meet your ‚Einkäufer‘“. Wir müssen Gelegenheiten schaffen, uns zu unterhalten. So kann es leichter gelingen, den anderen Blickwinkel einzunehmen.

Welche Schwerpunkte möchten Sie in Ihrer Amtszeit als Vorstandssprecher­-Team setzen?

T. Schröder: Als Schwerpunkte sehe ich die Themen Digitalisierung, Gleichstellung und klimaneutrale Entwicklung unserer Gebäude. IT-Sicherheit wird ein großes Thema sein. Bei der Gleichstellung wäre es toll, wenn sich der FVB mit der Leibniz-Gemeinschaft messen könnte, die mit einem Anteil von 47 Prozent Wissenschaftlerinnen im Jahr 2020 sehr gut dasteht. Der FVB hatte demgegenüber nur einen Anteil von 31,5 Prozent Forscherinnen, was selbstverständlich auch mit der fachlichen Ausrichtung unserer Institute zu tun hat. Um hierbei besser zu werden, müssen wir sehr gute Ideen und Maßnahmen entwickeln, mit größerer Wirkung gemeinsam im FVB. Und bei unseren Gebäuden besteht ein großer Handlungsbedarf, da einige das Ende ihrer Laufzeit erreicht haben und die Unterhaltskosten sehr hoch sind. Wir wollen mit unseren Gebäuden klimaneutral werden – das ist politisch gewollt, nur die Finanzierung ist mehr als herausfordernd.

S. Eisebitt: Gebäude spielen eine Riesenrolle in der Klimadebatte. Wir könnten als FVB Modellprojekte im Baubereich beisteuern. Und da wir auch gemeinsam Infrastruktur betreiben, können wir hierdurch effizienter sein.

Die aktuelle Verbundjournal­-Ausgabe hat den Schwerpunkt „Frauen in der Wissenschaft“. Was möchten Sie für die Forscherinnen im FVB tun?

T. Schröder: Ich war drei Jahre Co-Vorsitzender in der Projektgruppe Gleichstellung der Leibniz-Gemeinschaft. Es gibt Leitlinien zu Gleichstellung bei Leibniz, auch Handlungsbeispiele wurden zusammengetragen. Die DFG hat ebenfalls sehr gutes Material, mit dem wir arbeiten können. Im IKZ war auf der ersten und zweiten Management-Ebene die „geteilte Führung“ der Trick – hierdurch ist die Bereitschaft bei den Wissenschaftlerinnen gestiegen, solch eine Position zu übernehmen. Sie können weiterforschen, die administrative Arbeit teilt man sich zu zweit. Wir müssen auf talentierte junge Frauen zugehen und Maßnahmen entwickeln, um sie für attraktive Positionen zu gewinnen.

S. Eisebitt: In unseren natur- und ingenieurwissenschaftlichen Instituten gibt es leider keine ausgewogene Bewerberlage von Frauen und Männern, in unseren umwelt- und lebenswissenschaftlichen Instituten ist die Situation besser. Ich sehe, dass wir viel früher anfangen müssen – wir müssen in Schulen gehen und insbesondere Mädchen für naturwissenschaftliche Themen begeistern. Und Förderprogramme helfen: Wir am MBI haben vor Kurzem einen Antrag im Leibniz-Professorinnenprogramm gestellt, der jetzt bewilligt wurde. Auch Wissenschaftlerinnen am IGB und FMP waren hierbei schon erfolgreich.

Das Interview ist im Verbundjournal 117 | 2021 mit dem Schwerpunkt Frauen in der Wissenschaft erschienen.

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