News | 01-03-2023

Dreidimensionale Abbildung von Gitterdefekten in Einkristallen

Eine Kombination von X-ray Diffraction Laminography (XDL) und Laser-Streulicht-Tomographie (LST)  ermöglicht eine effektivere Charakterisierung der räumlichen Verteilung von Kristalldefekten.

Moderne Analysemethoden erlauben ein besseres Verständnis der Bewegung von Liniendefekten in Volumenkristallen. Liniendefekte oder „Versetzungen“ sind ein häufig beobachtetest Phänomen und stellen eine Abweichung von der sonst strengen atomaren Ordnung des Kristallgitters dar. Diese Gitterfehler beeinflussen sowohl die mechanischen, elektrischen und optischen Eigenschaften der Kristalle, als auch ihr Wachstum. Um hochwertige Kristalle zu züchten, ist das daher wichtig das Entstehen von Versetzungen zu verstehen und ihre Dichte zu regulieren. Auch wenn es von der konkreten Anwendung abhängt, wirken sich Versetzungen in den meisten Fällen nachteilig auf die Kristalleigenschaften aus.

Sobald eine Versetzung im Kristall vorliegt, kann sie nicht einfach an einem Punkt enden, sondern durchzieht den Kristall bis sie dessen Oberfläche erreicht. Versetzungen können sich jedoch ab einer gewissen Temperatur, angetrieben durch inneren mechanischen Stress, im Kristall bewegen. Diese Bewegung findet nicht in beliebiger Richtung statt, sondern folgt grundlegenden kristallographischen Regeln, die sich aufgrund der zugrundeliegenden atomaren Mechanismen (sog.  „Klettern“ oder „Gleiten“) ergeben. Das Beeinflussen dieser der Versetzungsbewegung stellt daher einen möglichen Ansatz zur Verringerung der Versetzungsdichte dar.

Dreidimensionale (3D) Bildgebung von Versetzungslinien kann einen wertvollen Einblick in die Mechanismen der Entstehung und die Dynamik von Versetzungen geben und so Rückschlüsse auf den Wachstumsprozess erlauben. Auf diesem Wege erhalten Wissenschaftler indirekten Zugang zu mechanischer Spannung, Kristallform oder den Gehalt von Verunreinigungen während des Wachstums. Dies wurde jüngst in einer gemeinsamen Veröffentlichung von Wissenschaftlern des IKZ und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gezeigt. Durch Nutzung von 3D Röntgenbildgebung unter Beugungskontrast wurde der 3D Linienverlauf sowie die Burgersvektoren der Versetzungen in einem Aluminiumnitrid (AlN) Einkristall rekonstruiert, der mittels physikalischer Gasphasenabscheidung auf einem Keim am IKZ (T. Straubinger/Aluminiumnitrid Kristallzüchtung) gewachsen wurde (Abb. 1) [1].

Die verwendete Methode, “XDL“ (engl. „X-ray diffraction laminography“), erfordert einen intensiven, parallelen sowie monochromatischen Röntgenstrahl wie er nur an Synchrotron-Strahlungsquellen (hier PETRA-III, Beamline P23, Hamburg) verfügbar ist. Hochpräzise Mechaniken sind außerdem nötig um die Rotation der Probe um einen bestimmten Gittervektor zu ermöglichen. Der so gewonnene Zugang zu 3D Informationen erlaubt eine Rekonstruktion des beleuchteten Volumens unter Nutzung etablierter Algorithmen.

Eine weniger aufwändige Methode um 3D-Informationen zu erhalten ist die Laser-Streulicht-Tomographie (LST), welche am IKZ zuletzt weiterentwickelt wurde. Während XDL die Verzerrungsfelder um Versetzungen abbildet, basiert die Kontrastentstehung bei LST auf der Dekoration von Versetzungen mit Punktdefekten, was eine lokale Änderung des Brechungsindex zur Folge hat. Das dadurch gestreute Laser-Licht wird durch eine Kamera aufgezeichnet. Über Nutzung eines fein fokussierten Strahls und durch Abrastern der Probe wird direkt die 3D Verteilung der Punktdefekte und damit auch dekorierte Versetzungslinien abgebildet (s. Abb. 2). Ein Nachweis undekorierter Versetzungen ist in der Praxis zwar nicht möglich, LST ist jedoch als Methode wesentlich zeitsparender und erlaubt die Vermessung vergleichsweise großer Volumina. Die Kombination aus LST und Röntgenbildgebung ist daher ein besonders effektiver Ansatz um die räumliche Verteilung von Defekten zu charakterisieren.

Für weitere Informationen, kontaktieren Sie bitte Dr. Carsten Richter und Dr. Tobias Schulz

[1] T. Straubinger et al., Dislocation Climb in AlN Crystals Grown at Low-Temperature Gradients Revealed by 3D X-Ray Diffraction Imaging, Crystal Growth & Design 23, 1538 (2023).

http://doi.org/10.1021/acs.cgd.2c01131